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Wettbewerbe – lebendiges Instrument der Baukultur – werk, edition

Piano Direttore comunale della Nuova Lugano

Verfahren: Studienauftrag mit Präqualifikation nach SIA 143
Ausloberin: Città di Lugano, Dicastero Sviluppo Territoriale
Verfahrensbegleitung: TBF + Partner, Lugano

Caspar SchärerPublikation bestellen

Die Stadt Lugano ist seit den 1970er Jahren über Gemeindefusionen kontinuierlich gewachsen und umfasst heute eine Fläche von 75 km² mit 66'500 Einwohner-innen und Einwohnern. Der kommunale Richtplan (PDCom) ist die Voraussetzung für die Vereinheitlichung der 23 bestehenden Nutzungspläne – vor allem aber bietet er die Gelegenheit, die vielfältigen Identitäten der Stadtquartiere und der zusammengeschlossenen Dörfer zu stärken und eine langfristige Vision für das heterogene Territorium zu entwickeln. Zu diesem Zweck wählte Lugano den Weg eines Studienauftrags mit Folgeauftrag. Gemeinsam mit dem ausgewählten Team von Paola Viganò nach dem Wettbewerb eine aufwendige öffentliche Vernehmlassung durchgeführt.
www.pdcomlugano.ch

Visonen für eine heterogene Stadtlandschaft

Interview mit Andrea Felicioni, Architekt ETH, Direttore Divisione pianificazione, ambiente e mobilità presso Città di Lugano

Ein Wettbewerb auf dieser «Flughöhe» ist ungewöhnlich – vielleicht sogar einzigartig. Warum habt ihr euch für diesen Schritt entschieden?

Wir stehen vor grossen Aufgaben, die uns alle fast gleichzeitig herausfordern. Zunächst ist da die Revision des Raumplanungsgesetzes, die eine Siedlungsentwicklung nach innen fordert. Der Kanton Tessin verpflichtet daraus folgend die Gemeinden, ein «programma d’azione comunale» zu erarbeiten. In den grösseren Gemeinden kann dies – muss aber nicht – zu einem Piano Direttore comunale (PDcom, kommunaler Richtplan) führen. Hinzu kommt in Lugano die Fusion zahlreicher Gemeinden zu «Nuova Lugano»: Die flächenmässig zweitgrösste Stadt der Schweiz umfasst ein Territorium von 75 Quadratkilometern und erstreckt sich vom Ufer des Sees bis zum Gipfel des Camoghe auf über 2200 Meter über Meer. Für uns war das Instrument des Wettbewerbs ideal, um einerseits Visionen für diese heterogene Stadtlandschaft zu gewinnen, andererseits aber auch konkrete Vorschläge, welche planerischen Werkzeuge für die Transformation in Frage kommen.

Was musste bei der Vorbereitung besonders beachtet werden im Unterschied zu einem Wettbewerb für eine konventionelle Aufgabe wie etwa ein Schulhaus?

Ein Schulhaus hat in der Regel ein klares Raumprogramm. Das gab es bei diesem Verfahren nicht. Wir mussten zunächst viel Grundlagenarbeit leisten, Eckdaten und Material zusammentragen. Die Ausarbeitung des Programms war tatsächlich eine grosse Aufgabe für uns. Wir mussten uns zunächst selber klar werden, was dieser neue Piano Direttore comunale für uns sein könnte, damit wir die späteren Vorschläge überhaupt bewerten konnten.

Was wurde von den Teams erwartet?

Die drei nach einer Präqualifikation zum Studienauftrag eingeladenen Teams hatten zwei Aufgaben: Sie sollten eine territoriale Vision für das grosse Gemeindegebiet von Nuova Lugano entwickeln. Das alleine ist schon sehr anspruchsvoll. Dann mussten sie aber auch Vorschläge machen, wie das Instrument des PDcom ausgestaltet und genutzt werden soll. In diesem Bereich hat das Siegerteam um die Urbanistin Paola Viganò viele Punkte geholt. Das Team hat unsere Vorstellung sehr ernst genommen, den kommunalen Richtplan als eines der drei strategischen Steuerungsinstrumente der Stadtpolitik zu verankern.

Wie ging es nach der Jurierung weiter?

Das Besondere an diesem Verfahren im Unterschied zu den meisten Testplanungen ist, dass hier von Anfang an ein Folgeauftrag vorgesehen war. Wir wissen alle: Die eigentliche Arbeit beginnt erst nach dem Wettbewerb. Das ist in der Planung eigentlich genauso wie bei jedem Bauprojekt. Das Team Viganò hatte klare Vorstellungen über die Öffentlichkeitsarbeit und den weiteren Prozess. Die Stadt und das Siegerteam haben dann zusammen mit dem Istituto Internazionale di Architettura i2a eine umfassende, mehrere Monate dauernde Vernehmlassung organisiert. Es gab grosse öffentliche Veranstaltungen im LAC Lugano Arte e Cultura, Spaziergänge an verschiedene Orte unseres grossen Stadtgebiets, damit wir und die Bevölkerung diese funktionalen Räume neu betrachten und spüren können. Hinzu kamen eine Ausstellung mit allen drei Beiträgen des Studienauftrags und mehrere thematische Workshops mit Expertinnen und Experten. Es wurde also noch viel Arbeit geleistet nach dem Verfahren selbst. Im Sommer 2023 übergab die Verwaltung das Dossier der Politik, die nun darüber beraten und entscheiden muss.