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Wettbewerbe – lebendiges Instrument der Baukultur – werk, edition

Surélévation des immeubles rue de Lausanne 137-147, Genève

Verfahren : Einstufiger Projektwettbewerb auf Einladung
Ausloberin und Organisation: Rovim SA, Genève

Caspar SchärerPublikation bestellen

Ein lang gezogenes Wohngebäude aus den 1960er Jahren im Genfer Quartier Sécheron sollte aufgestockt und damit neu in Wert gesetzt werden. Die private Bauherrschaft stiess mit ihrem Vorhaben jedoch an die Grenzen des Baurechts. Gemeinsam mit dem Kantonsarchitekten schrieb sie einen Architekturwettbewerb aus, um über dieses qualitätssichernde Verfahren zu Lösungen zu gelangen, die dann via die kantonale Commission d’architecture eine Ausnahmeregelung legitimieren würden. Den Wettbewerb gewinnt ein Projekt von Lacroix Chessex, das sogar ein Geschoss zusätzlich aufstockt und dadurch mehr Wohnungen anbietet.

Infografik: Das Biest, Basel

 

Vorteile des Architekturwettbewerbs für den Investor

Francesco Della Casa, Kantonsarchitekt, Republik und Kanton Genf

2012 beschloss eine private Firma, der ein Gebäude am Stadtrand von Genf gehört, ihre Immobilie aufzustocken. Möglich wurde dies durch ein neues Gesetz, wonach Bestandsgebäude zur Schaffung von neuem Wohnraum erweitert werden können. Der 150 Meter lange Gebäuderiegel hat sechs Zugänge und liegt an einer abschüssigen Strasse. Daraus ergibt sich zwischen den beiden Enden des Gebäudes ein Niveauunterschied, der einer vollen Geschosshöhe entspricht. Wenn bei einer Aufstockung die Vorschrif-ten über die jeweils bei den Eingängen gemessenen Gebäudehöhe strikt eingehalten würden, müssten die zusätzlichen Geschosse über die gesamte Gebäudelänge hinweg stufenweise abfallen, obwohl das Gebäude eine gleichmässig horizontal gegliedert ist.

Angesichts dieses Dilemmas, bei dem nur die Wahl zwischen einer nicht sehr harmonischen Lösung oder dem Verzicht auf einen Teil der bestehenden Baurechte zu bestehen schien, suchte François Micheli, der Vertreter des Bauherrn, den Kontakt zum Kantonsarchitekten. Gemeinsam gelangten sie zu dem Schluss, dass angesichts der Komplexität der Herausforderung die Ausrichtung eines Architekturwettbewerbs gerechtfertigt war, um auf diese Weise verschiedene Lösungsvorschläge zu erhalten. Der Vorteil: Wären die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs hinreichend überzeugend, bestünde die Chance, dass die commission d’architecture eventuell eine Ausnahmegenehmigung erteilt.

Der Architekturwettbewerb musste dabei nicht den Anforderungen eines öffentlichen Vergabever-fahrens genügen, da es sich um einen privaten Bauherrn handelte. Da dieser jedoch eine qualitativ möglichst hochwertige Lösung anstrebte, wurden fünf renommierte Genfer Architekturbüros (Charles Pictet, Bassi-Carella, Localarchitecture, Archiplein und Lacroix Chessex) zur Einreichung ihrer Konzepte eingeladen. Diese wurden anschliessend von einer erfahrenen Jury bewertet .
Die eingereichten Vorschläge deckten das gesamte Spektrum möglicher Lösungen von der strengen Einhaltung der Bauvorschriften bis hin zur maximalen Ausschöpfung des vorhandenen Spielraums ab. Dabei gaben die Wettbewerbsergebnisse der commission d’architecture hervorragende Argumente an die Hand, so dass diese mit einer juristisch stichhaltigen Begründung eine Ausnahmegenehmigung zur Realisierung des von dem Architekturbüro Lacroix Chessex eingereichten Beitrags erteilen konnte.

Die Zeit und die finanziellen Mittel, die der Bauherr in den Architekturwettbewerb investiert hat, wurden durch die hohe Qualität des Entwurfs und die Erweiterung der Baurechte um etwa 40 Prozent mehr als aufgewogen. Darüber hinaus wurde auch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung von architek-tonisch hochwertigem Wohnraum Rechnung getragen. Und schliesslich hat diese erfolgreiche Herangehensweise später auch zahlreiche weitere private Bauherrn dazu motiviert, ähnlich vorzugehen.