Formsperrholz ist ein äusserst vielfältiges Material, das sich zur Gestaltung sowohl von Tragstrukturen als auch von Räumen anbietet. Im Rahmen des BSA-Forschungsstipendiums werden auf verschiedenen Ebenen die zahlreichen Möglichkeiten untersucht, die sich aus der Nutzung von Formsperrholz in der Architektur ergeben. Ein Teil der Arbeit besteht aus einer Analyse der facettenreichen Eigenschaften des Werkstoffs: Die Betrachtung umfasst sowohl architektonische Fragen als auch historische, wirtschaftliche, technische und kulturelle Hintergründe. Die Auseinandersetzung bietet Einblicke in die Entstehung des Werkstoffs und die Herausbildung seiner spezifischen Merkmale. In einem zweiten Teil wird anhand einer explorativen Entwurfsforschung nach Anwendungsmöglichkeiten für Formsperrholz in verschiedenen Massstäben und in unterschiedlichen architektonischen Szenarien gesucht. In diesen Zusammenhang werden auch die entwurfsrelevanten Herausforderungen und Potenziale dargelegt. Das Forschungsprojekt soll dazu anregen, eine neue Perspektive auf das Baumaterial Holz einzunehmen.
Neue Materialität
Vor dem Hintergrund der umfangreichen Verarbeitungsmöglichkeiten von Holz und der daraus produzierten Werkstoffe erscheint es naheliegend, die grundsätzlichen Betrachtungen bei den Fasern zu beginnen. Bei der Herstellung von Formsperrholz lassen sich die Fasern des Holzes neu «komponieren» und zu einem Werkstoff mit gesteigerter Festigkeit zusammenfügen. Gleichzeitig erlauben die dafür entwickelten Verfahren, eine Vielfalt an komplexen Formen zu erzeugen. Neben den konstruktiven und strukturellen Möglichkeiten, die vor allem von technischem Interesse sind, offenbaren materialspezifische Eigenschaften wie die Kontinuität und die Plastizität ein beachtliches ästhetisches Potenzial. Formsperrholz kann deshalb sowohl als struktureller als auch als raumbildender Werkstoff genutzt werden. Die eingehende Auseinandersetzung mit diesem Werkstoff ermöglicht es, nach neuen Anwendungsbereichen und Ausdrucksformen für Holz in der Architektur zu suchen und aufkommende Fragen nach einer «neuen Materialität» für diesen natürlich nachwachsenden Baustoff zu thematisieren.
Tradition und Transformation
Bis heute gründet das Bauen mit Holz grösstenteils auf stabförmigen Elementen und einer additiven Fügungslogik. Bestimmt durch die ressourcenbedingten Zwänge, festigte sich die Tradition des Zimmererhandwerks mit seinen erprobten Techniken und Verfahren über die Jahrhunderte hinweg.1 Seit dem frühen 20. Jahrhundert erfuhr dieses Gewerbe jedoch eine starke Transformation durch industrielle Prozesse,2 angefangen bei der Entwicklung des verleimten Brettschichtholzes durch das Patent von Otto Hetzer (1906)3 bis hin zu den digital gesteuerten Fertigungsprozessen der letzten Jahre. Trotz dieser Umwälzungen gibt es nur wenige Ansätze, Tragwerke aus Holz flächig auszubilden – auch wenn solche Konzepte im Vergleich zu herkömmlichen, stabförmigen Tragwerken sehr materialeffiziente Alternativen darstellen könnten.4
Zur Gestaltung flächig ausgebildeter Tragwerke würde sich Sperrholz, und insbesondere Formsperrholz, besonders gut eignen. Der Werkstoff hat sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem universell einsetzbaren Material entwickelt, das nicht nur im Bereich der Architektur und des Möbeldesigns, sondern auch bei zahlreichen Objekten des täglichen Gebrauchs Verwendung findet.5 Sogar für den Bau von Schiffen und Flugzeugen kann Formsperrholz genutzt werden. Gerade die komplexen Rumpfgeometrien zeugen von der Anwendungsvielfalt und strukturellen Leistungsfähigkeit des Materials.6 Angesichts dieser ausgewiesenen Qualitäten erstaunt es, dass nur wenige Vorschläge für die Konzeption der primären Struktur von Bauwerken vorliegen. Obwohl Formsperrholz durchaus vertraut wirkt, scheint sich das Potenzial, das in diesem Material steckt, im Bereich der Architektur nur selten richtig entfalten zu können.