An der BSA-Tagung im Januar 2019 im Hotel Schweizerhof in Luzern verglichen wir verschiedene Modelle und Rollenbilder von Kantonsarchitekten miteinander. Wie operiert eine Architektin, ein Architekt auf kantonaler Ebene, an der höchsten Verwaltungsstelle, die in der Disziplin erreicht werden kann? Was sind die Zwänge und wo sind die Spielräume? Wir gingen in die Tagung mit einer Vorstellung, die sich nahe an den hohen Erwartungen orientierte, und mussten feststellen, dass sich das Rollenbild des Kantonsarchitekten stark gewandelt hat. Er oder sie zeichnet nicht als Entwerfer der grossen Linien verantwortlich, sondern ist fest eingebunden in die Abläufe von Verwaltungen. Wer kann also diese Rolle noch übernehmen?
Es bräuchte eigentlich dringend kompetente Architektinnen und Architekten an Schlüsselstellen in den kantonalen Verwaltungen, als «Fachleute für das Ganze». Der Bedarf wäre da, allerdings nach Architektinnen und Architekten, die ein neues Rollenbild vertreten: Sie nutzen ihre Position und ihr Wissen, um Brücken in alle Richtungen zu bauen, sie denken inklusiv, vermitteln Visionen und überzeugen andere vom unschätzbaren Wert der Baukultur. Oder anders ausgedrückt: Sie sind Botschafter der Baukultur – Anstifter, Wegbereiter und Ermöglicher von Baukultur.
Die vorliegende Publikation bringt die Erfahrungen der BSA-Tagung 2019 zusammen. Die Kantonsarchitekten von Basel-Stadt, St. Gallen, Genf, Neuenburg und des Aargaus stellten an der Tagung ihre jeweiligen Modelle vor; sie wurden begleitet von den zuständigen Regierungsräten. Tina Saaby, Stadtarchitektin in Kopenhagen von 2010 bis 2019, hielt ein inspirierendes Plädoyer für eine aktive Architekturpolitik und der Planungshistoriker Angelus Eisinger stellte in seinem einleitenden Vortrag die grösseren Zusammenhänge her.
Wir danken Angelus Eisinger, dass er seine Erkenntnisse der BSA-Tagung für diese Publikation formuliert hat; in einem kurzen Essay stellt er vier «Ansatzpunkte» vor, wie sich in Zukunft das Rollenverständnis des Kantonsarchitekten, der Kantonsarchitektin verändern könnte. Mit Tina Saaby durften wir ein vertiefendes Gespräch führen, in dem sie ihr Rollenbild detailliert erklärt. Ausserdem sprachen wir mit Carl Fingerhuth, dem langjährigen Kantonsbaumeister von Basel-Stadt, über seine Erfahrungen bei der Förderung der Baukultur auf der Ebene der kantonalen Verwaltung.
Als Erkenntnisinstrument zum Verständnis der administrativen Mechanik diente uns bereits an der Tagung das Organigramm der jeweiligen kantonalen Departemente und Amtsstellen. Darin lässt sich die Position des Kantonsarchitekten schnell ablesen. Für die Publikation hat das Basler Büro Berrel Gschwind die Organigramme von zwölf Kantonen grafisch überarbeitet und vereinheitlicht. So lassen sich auf einen Blick die Unterschiede und Gemeinsamkeiten ablesen.
Nach der erfolgreichen Lancierung der Deklaration von Davos Anfangs 2018 folgt nun eine Phase der Suche nach Kriterien und Wegen, wie die proklamierte Qualität in der Baukultur erreicht werden kann. Der BSA versucht in diesem Zusammenhang, die «Instrumente der Baukultur» zu identifizieren und sie in einer Serie von Tagungen und praktischen Handbüchern darzustellen. Als unser konkreter Beitrag an eine breite Debatte über die Etablierung der Baukultur folgt nach der «Kartografierung» der Stadtbildkommissionen 2019 nun die vorliegende Recherche über die Kantonsarchitekten.