Das Europäische Kulturerbejahr 2018 begann in der Schweiz mit einem Paukenschlag: Ende Januar unterzeichnete Bundespräsident Alain Berset zusammen mit den europäischen Kulturministerinnen und Kulturministern die Deklaration von Davos. Darin verpflichten sich die Länder, eine hohe Baukultur politisch und strategisch zu verankern. Baukultur ist bekanntlich keine exakte Wissenschaft und sie reicht weit über die Grenzen des Gebauten hinaus. Umso wichtiger ist es zu verstehen, wie eine hohe Qualität in der Baukultur erreicht werden kann.
Der BSA ist dankbar für die in der Deklaration von Davos und auch vom Bundesamt für Kultur BAK offiziell mitgetragene offene Definition der Baukultur als umfassenden Begriff, der sowohl das Gebaute wie auch die Zwischenräume und die Landschaft mit einbezieht. Die Weiterentwicklung und Pflege unserer Lebenswelt ist ein komplizierter Prozess, der die ganze Zivilgesellschaft betrifft. Wir als Architektinnen und Architekten können viel dazu beitragen, aber alleine werden wir wenig ausrichten. Für eine nachhaltige Qualität der Baukultur braucht es das Zusammenspiel zwischen Politik, Verwaltung, Bauherren und Planenden.
Die Deklaration von Davos nennt unter anderen den Architekturwettbewerb als bewährtes Mittel zur Qualitätssicherung. Wir sehen daneben noch andere Instrumente und Instanzen, die oft still und im Hintergrund kontinuierlich an der Verbesserung der Baukultur arbeiten. Stadtbildkommissionen oder Gestaltungsbeiräte gehören zu diesen Gremien, die immer wieder aufs Neue die Baukultur verhandeln und die Politik und Verwaltung in ihren Entscheiden begleiten. Gerade unter dem neuen raumplanerischen Paradigma der Entwicklung nach Innen werden qualitative Fragen immer wichtiger. Vor diesem Hintergrund wird das Bauen wieder politischer, wie die zahlreichen Volksbegehren deutlich zeigen, über die wie in den letzten Jahren abgestimmt haben. Gleichzeitig wandeln sich Immobilienmarkt und Bauproduktion rasant; deren ökonomische Prämissen drohen alle anderen Aspekte des Bauens zu erdrücken.
In diesem Umfeld, in dem sich grosse und mächtige Stakeholder tummeln, vertreten die Stadtbildkommissionen die Interessen der Gemeinschaft. Sie bringen Politik, Verwaltung und Expertenwissen an einen Tisch, diskutieren Baukultur am konkreten Fall und denken bei ihren Entscheiden auch an die ganze Stadt. Stadtbildkommissionen – oder Gestaltungsbeiräte – sind Kollektive, die der Politik die Spielräume aufzeigen können. Im besten Fall inspirieren die Spielräume zu Visionen und Vorstellungen über die zukünftige Gestalt des Gemeinwesens: Welche Stadt wollen wir? Wo wollen uns verändern und wo soll es möglichst so bleiben, wie es ist?
Da jede Stadt ihre Eigenheiten hat, richtet sie sich ihre Stadtbildkommission nach ihren Bedürfnissen ein. In der föderalen Schweiz ist eine grosse Vielfalt an Modellen zu finden. Dies war für uns Grund genug, die verschiedenen Ansätze an der BSA-Tagung im September 2017 zu vergleichen. Denn erst im Vergleich zeigen sich die Qualitäten – und die Schwachpunkte. An der sehr gut besuchten Tagung im Hotel Schweizerhof in Luzern stellten die acht Städte Baden, Basel, Biel, Genf, Luzern, Uster, Zug und Zürich ihre Stadtbildkommissionen vor, jeweils im Tandem mit dem verantwortlichen Politiker, der verantwortlichen Politikerin und einem Mitglied der Kommission. Die grosse Diversität der Ansätze zeigte deutlich, dass die Systeme offen und flexibel bleiben sollten. Gesellschaften verändern sich und mit ihnen müssen sich auch die Stadtbildkommissionen immer wieder auf neue Bedingungen einstellen.
Die Tagung bildet die Grundlage für die ausführliche Recherche in der vorliegenden Publikation. Zunächst verschafften wir uns mit einer Kartierung der Stadtbildkommissionen in der Schweiz eine Übersicht. Danach untersuchten wir die Kriterien für eine gute Kommission. Klar wurde dabei, dass sich nicht alle Kriterien auf jede Stadt übertragen lassen. Von zentraler Bedeutung für alle Kommission ist jedoch, dass die Experten von auswärts kommen, mit frischen Augen auf Projekte schauen können – und nicht in die lokalen Geschäfte verwickelt sind.
Die personelle Zusammensetzung kristallisierte sich als das wichtigste Kriterium überhaupt heraus. Dank der grafischen Umsetzung des Basler Büros Berrel Gschwind kann in dieser Publikation die Komposition von 22 Schweizer Stadtbildkommissionen auf einen Blick verstanden werden. Wir sind überzeugt, damit ein praktisches und unverzichtbares Nachschlagewerk für Städte und Gemeinden geschaffen zu haben. Wer noch keine Kommission hat, kann sich hier informieren. Wer schon eine hat, kann nachschauen, wie es die anderen machen.